Büro am Strand

Nina Buschmann aus Icking ist eine digitale Nomadin. Sie reist mit ihrem Campingbus durch die Welt und gibt an ihrem Laptop dabei Sprachkurse – Einblicke in ein etwas anderes Berufsleben

Büro am Strand, Artikel aus der SZ

Icking – Für viele Menschen ist das Arbeiten von zu Hause wegen Corona eine völlig neue Erfahrung. Die vermeintlich große Freiheit entpuppt sich in der Praxis als ganz schön anstrengend, wenn der Küchentisch gezwungenermaßen zum Büro wird und daneben noch das Baby quengelt. Nina Buschmann aus Icking unterrichtet seit 8 Jahren aus ihrem Homeoffice, das manchmal daheim ist und manchmal auf der anderen Seite des Erdballs.

Buschmann ist eine sogenannte digitale Nomadin – Urlaub und Arbeit, diese beiden Pole verschmelzen bei ihr. Aber als Globetrotterin um die Welt reisen, am Palmenstrand schnell mal den Laptop aufklappen und als alleinerziehende Mutter nebenbei noch ein Kind wuppen – ist das wirklich so easy, wie es scheint?

Eigentlich schon, sagt die 43-Jährige. Auch wenn jede Reise eine gute Vorbereitung, einen Plan B, und viel Flexibilität erfordere. „Für mich gibt es dennoch nichts Schöneres, das ist mein Lebensglück.“  Kaum war das Baby ein paar Monate alt, tourte sie durch Myanmar, das Kind vorn im Tragetuch, den Rucksack hinten auf dem Rücken. Mit dem heute Siebenjährigen sei sie etwa in Aserbaidschan, Algerien, Kuwait, Simbabwe, und Kambodscha gewesen sowie in 65 weiteren Ländern. Was sie zum Leben brauchen, verdient Buschmann mit Online-Sprachkursen. Vier Stunden unterrichtet sie täglich Deutsch und Englisch. Dafür braucht sie nicht viel Infrastruktur. „Internet gibt‘s fast überall, ich stell den Campingbus ab, gebe meine Stunden, und dann haben wir den Rest des Tages für Entdeckungen.“

Sohn Nicolai ist immer dabei. Ihn bei Laune zu halten, sei nie ein großes Problem gewesen. „Er liebt das Reisen genauso wie ich, hört seine Hörbücher,  spielt mit Lego oder anderen Kindern”, so Buschmann. „Und wenn er zwischendurch mal neugierig in die Kamera schaut, ist das auch nicht schlimm, denn alle meine Schüler wissen, dass ich unterwegs bin.“ Sie empfinde das Kennenlernen fremder Länder und Kulturen als große Bereicherung für sich und ihren Sohn. Auf die Frage hin, ob denn nicht einmal die unvermeidlichen Kleinkinderwehwehs oder unangenehme Begegnungen etwa beim Couchsurfing die Wanderlust getrübt hätten, winkt sie ab und berichtet lieber von den vielen positiven Erfahrungen des Mutter-Kind-Laptop-Gespanns.

Ihre große Reiseleidenschaft ist ihr in die Wiege gelegt worden. „Wir waren nie eine Familie, die an die Adria ins Hotel fuhr“, erzählt Buschmann, „wir machten früher immer Entdeckerurlaub.” Als Kind hat sie ein paar Jahre mit ihren Eltern in Florida gelebt, ist aber überwiegend in Icking aufgewachsen. Ganz konventionell studierte sie nach dem Abitur zunächst Gymnasiallehramt, bis sie während eines Irland-Aufenthalts ihr Aha-Erlebnis hatte. „Mensch, das ist es“, habe sie sich gedacht. „Ich will Fremdsprachen unterrichten und frei durch die Welt reisen.“

Ungebunden sein, gehen zu können, wenn es keinen Spaß mehr macht und zwischen den Jobs die Welt ansehen. Nina Buschmann ist eine Aussteigerin. Bis zum Alter von 35 Jahren unterrichtete sie etwa in Bolivien an einer Klosterschule, brachte Managern in Tokyo Deutsch bei, lehrte als Universitätsdozentin im Oman. Über ihre Erfahrungen als Frau allein unterwegs, die sich immer wieder ein neues Arbeits-und Privatleben auf verschiedenen Kontinenten aufbaut, hat sie zwei Bücher verfasst.  Auch als sie 2013 Mutter wurde, wollte sie ihre lieb gewonnene Freiheit nicht für eine Vierzigstundenwoche mit festen Arbeitszeiten opfern. Seit acht Jahren lehrt sie deshalb digital – mit ihrem Laptop und Kamera. Mal klappt sie ihren Computer am Strand auf, mal am Straßenrand, und wenn sie nicht unterwegs ist, unterrichtet sie auf diese Weise von zuhause. Die Schüler finden sie über ihre Website. Mal sind es Businessleute, die abends im Hotel eine Englischstunde dazwischenschieben, mal sind es junge Leute aus Hongkong, die für die Deutschprüfung pauken, mal ein Australier, der nach Deutschland auswandern will.

Auch das Fernsehen ist auf die freiheitsliebende Nina Buschmann aufmerksam geworden. In der ZDF-Sendung „37 Grad“ wurde sie kürzlich mit ihrem „Homeoffice am Strand“ porträtiert. „Ich habe da mitgemacht, weil ich zeigen wollte, dass das geht, arbeiten und reisen – und das mit Kind.“ Im Nachhinein fällt ihr Fazit jedoch zwiespältig aus.  „Sie ist seit sieben Jahren unterwegs, jede Nacht woanders“, Sätze, wie diese erzeugten auf Facebook einen Shitstorm. Dass andere sie als unverantwortliche Mutter, Egoistin und Systemschmarotzerin fertigmachen wollen, habe sie ziemlich getroffen. „Mein Kind geht in die Schule, hat feste Freunde, es ist nicht mein Partnerersatz, und ich zahle ganz normal meine Steuern und meine Krankenversicherung.“

Alles ist mittlerweile auch etwas anders geworden. So viel zu Hause wie jetzt war Buschmann schon lange nicht mehr. Nicolai wurde vergangenes Jahr eingeschult, die digitale Nomadin arbeitet mittlerweile von ihrem Elternhaus aus, das sie sich mit ihrem verwitweten Vater teilt. Der verlorenen Freiheit trauert sie schon nach. Es bleiben halt nur noch die Schulferien. Aber hey, der Campingbus steht immer einsatzbereit vor der Tür, Zahnbürste rein, und dann kann‘s wieder losgehen.