Tibetkonflikt, Zyklon, Erdbeben, Kaschmirkonflikt, Dauerregen aber auch viele positive Erlebnisse

Nina Buschmann: Sechs Monate von Deutschland auf dem Landweg durch Asien

Die Ickingerin Nina Buschmann möchte in den nächsten Monaten ein Buch schreiben (“Wo bitte geht’s hier um die Welt?”). Dabei will sie ihre Reiseerlebnisse der letzten Jahre aufarbeiten. Zwar hat die 31- Jährige bereits ihr halbes Leben im Ausland verbracht, doch allein ihre Reiseerlebnisse des Jahres 2008 könnten ein ganzes Buch füllen.

Eisblume Zugfenster

„Mich hat immer der Gedanke fasziniert, in Icking in die S7 einzusteigen und über 10,000 Kilometer später in Peking wieder auszusteigen.“ Im Januar ging‘s los: Polen, Weißrussland, St. Petersburg, Moskau, an den Baikalsee.

Auto auf gefrorenem Baikalsee

Von der Transsibirischen Eisenbahn stieg die allein Reisende auf die Transmongolische Eisenbahn um. In der Mongolei wohnte sie zuerst in einem Hotel in Ulan Bator, dann in Gers, den Mongolenzelten

Mongolische Jurte Ger

und erlebte das tolle Gefühl der Freiheit auf dem Pferderücken bei wilden Ritten über die endlose Steppe. Die Gastgeber servierten ihr den traditionellen salzigen, fetten Tee. „Ich habe alles gut vertragen,“ erzählt sie heute schmunzelnd. „Schlecht ging‘s mir nur in Indien. Ausgerechnet nach einem Apfelstrudel von einem deutschen Bäcker!“

Nina Taj Mahal Indien

Sehr beeindruckend fand sie Peking. Im Februar waren die Arbeiten an den Anlagen für die Olympischen Spiele bereits weit gediehen. Und wo vorher 8.000 Menschen gelebt hatten, stand plötzlich das Stadion (‚Vogelnest‘).

Vogelnest Peking

Krass ist der Unterschied zwischen der Weltstadt Peking und den fast mittelalterlich anmutenden ländlichen Gebieten.

Schild in China

Nach dem ultramodernen Shanghai ging es ins Landesinnere. Gottlob hatte sie Chengdu bereits wieder verlassen, als dort das Erdbeben verheerende Schäden anrichtete und tausende Menschen starben.

Als einzige Ausländerin nahm sie kurz vor der Flutung des Tales für den ‚Drei-Schluchten-Staudamm‘ an einer Bootsfahrt den Yangtse flussaufwärts teil.

Geisterstadt

Dabei sah sie bestürzt die bereits verlassenen Geisterstädte und die Markierungen, wie weit das Wasser steigen würde. Nach Chongqing, der am schnellsten wachsenden Stadt Chinas, ging es zur ‚Terrakotta-Armee‘ nach Xian und dann weiter nach Tibet.

Hier gerieten Nina Buschmann und einige Mitreisende direkt in den gerade ausbrechenden Konflikt. Sie wurden in einem einfachen Hotel außerhalb von Lhasa einquartiert. Bei einem Besuch in Lhasa stellte sie fest, dass ihr gebuchtes Hotel zerstört war. Überall Zeichen der Verwüstung: ausgebrannte Häuser und Autos und allenthalben schwer bewaffnetes Militär auf den Straßen. Die meist sehr jungen Soldaten waren verunsichert, wie sie mit den Ausländern umgehen sollten. Doch man ließ sie die Stadt betreten und beschränkte sich auf Schikanen wie etwa ständige Kontrollen.

Die Beweglichkeit war extrem eingeschränkt, sie saßen im Hotel sinnlos fest und der Druck, das Land aus Sicherheitsgründen zu verlassen, wuchs. Da entschlossen sie sich schweren Herzens zur Ausreise. „Trotz der schwierigen Umstände war auch hier die Bevölkerung extrem freundlich zu uns. Und zum Abschied hängte mir unser Hotelier einen weißen Schal um die Schultern, ein Zeichen für Respekt und Wertschätzung!“

Wieder in China angekommen, ging es nach Xining in Nordchina. „Hier traf ich viele Tibeter, die alle ihre teils dramatischen Geschichten los werden wollten und die ich aufzeichnen sollte. Da verschwanden plötzlich E-Mails und mein Vater, zu dem ich telefonisch Kontakt hielt, hatte den Verdacht, dass wir abgehört werden. Also redete er nur noch Bayerisch mit mir. Da ich jedoch befürchtete, meinen Gesprächspartnern mit meinen Kontakten zu ihnen zu schaden, stellte ich diese Treffen ein.“

Als Nina Buschmann die Szechuan-Grenze entlangfahren wollte, war plötzlich alles abgeriegelt. Also fuhr sie mit dem Zug nach Vietnam, um hier einen Monat lang von Nord nach Süd das Land zu durchqueren. An der Grenze die nächste Schikane: Chinesische Grenzpolizisten beschlagnahmten ihren praktischen Reiseführer, da in ihm Taiwan als eigenständiger Staat aufgeführt war – ein Verbrechen aus chinesischer Sicht!

Von Vietnam aus ging es nach Kambodscha. Hier blieben die hoffnungslos überladenen Pickups mit den Touristen nach heftigem Monsunregen im Schlamm stecken und sie mussten im Dschungel übernachten.

Stuck in the mud

Das nächste Ziel waren Laos und dann Thailand. Ein Abstecher nach Burma (Myanmar) musste entfallen, da dort ausgerechnet zu dieser Zeit der schreckliche Zyklon mit einer noch heute unbekannten Zahl von Toten wütete.

Von Thailand reiste die Ickingerin weiter nach Indien. Hier nahm sie wegen des aufflammenden Kaschmirkonflikts den erstbesten Flug aus der Region Srinagar nach Neu Delhi. Zurück nach Thailand wurden Freunde besucht. In Bangkok wurde die große, blonde Deutsche auf der Straße angesprochen, ob sie bei einem Film mitmachen wolle. „Zuerst war ich ja skeptisch, aber es stimmte. Sie suchten eine junge, westlich aussehende Frau.“ Und so ist sie in dem voraussichtlich im kommenden Jahr in die Kinos kommenden Film ‚Shanghai‘ neben dem Schauspieler John Cusack am Pokertisch zu sehen. Nach sechs Monaten mit kriegerischen Konflikten, Erdbeben, Monsunregen und Zyklon, aber mit sehr vielen unheimlich netten, extrem gastfreundlichen Menschen und interessanten Erlebnissen sowie 690 Stunden in Bussen und Zügen reiste Nina Buschmann schließlich Ende Juli zurück nach Deutschland. Doch hier hielt es sie nicht: Nach einem kurzen Besuch im Elternhaus ging es mit Freunden für drei Wochen Urlaub nach Spanien. Das Reisen ist Nina Buschmann von Kindheit an gewohnt. Durch den Beruf ihres Vaters wohnte sie von ihrem sechsten bis zum zehnten Lebensjahr in Florida und wuchs zweisprachig auf. Hinzu kommen Kenntnisse in Spanisch, Französisch und Japanisch. Im Laufe ihres Lebens studierte die multikulturell interessierte und reiselustige Ickingerin ein halbes Jahr in Irland. Sie lebte und arbeitete ferner fast zwei Jahre in Japan, ein Jahr in Südamerika (Bolivien), ein Jahr in Mittelamerika (Nicaragua und Guatemala), ein Jahr in Australien und Neuseeland und weilte schließlich zwei Jahre lang in der Karibik. Hier betrieb sie gemeinsam mit zwei anderen Deutschen auf Tobago eine eigene englischsprachige Schule zur Sprachfortbildung für Erwachsene.

Im Sommer 2006 kehrte sie nach Deutschland zurück. In München bietet sie nun professionelles Sprachtraining sowie interkulturelle Ausbildung unter anderem im Businessbereich an. Hierzu gehören Kenntnisse der Kulturen, Bräuche und wichtiger Verhaltensregeln in den Ländern, mit denen etwa Manager erfolgreich Geschäfte machen wollen.

(Veröffentlicht 2008 in Nah Dran, geschrieben von Wolfgang Tutsch)